Systematischer Weblog-Einsatz in der Lehre

Heute Mittag habe ich gespannt den live gestreamten Vortrag von Christian Spannagel, Mostafa Akbari und Tim Schmidt auf dem 2. Workshop e-Learning 2.0 der Delfi-Tagung mitverfolgt (hier u.a. ein kurzes Ankündigungsvideo von Christian). Er resultierte u.a. aus der damals auf dem EduCamp in Ilmenau gehaltenen Session zur Motivation beim Bloggen, an der sich auch ein paar unserer Studis an der TU, die erstmals eigene E-Portfolio-Blogs führ(t)en, rege beteiligten. Die Vortragenden stellten dabei ihr entwickeltes Planungsraster für die Einführung von Blogs in der Lehre vor, das soziale, funktionale. technische, rechtliche, Öffentlichkeits- und Motivationsaspekte berücksichtigt, und zeigten Einsatzszenarien an der PH Ludwigsburg, der RWTH Aachen und der Universität Osnabrück auf.

Leider hatte ich etwas zu spät Zugang zum Vortrag, sodass ich nicht alle Ausführungen zum Planungsraster erfahren konnte. Sie können aber auf einer zugehörigen Wikiversity-Seite abgerufen und genauer diskutiert werden. Die Vortragsfolien werden außerdem in den nächsten Tagen auf Christian´s Blog zu finden sein.

Auf dem EduCamp in Berlin werde ich hoffentlich auch erste Auswertungsergebnisse unseres E-Portfolio-Blog-Einsatzes an der TU Ilmenau präsentieren können.

Folgende Punkte ergaben sich für mich, über die ich sehr gerne weiter diskutieren würde:

  • So denke ich, dass es beim Bloggen im Sinne einer Nutzung als E-Portfolio-Werkzeug und damit letztlich auch als Reflexionsinstrument im Lernprozess durchaus dazugehört, auch während eines Projektes auftretende Probleme darzustellen, um über Verbesserungsmöglichkeiten nachzudenken und Lösungskompetenz nachzuweisen, die schließlich zum Erreichen eines erfolgreichen Lernergebnisses beiträgt. Wieso sollte man nur „perfekt Gelungenes“ bloggen?
  • Auch stellt es sich für mich schwierig dar, zu rein intrinsisch motiviertem Bloggen anzuregen, wenn der Student vollkommener Blog-Neuling ist. Es ist einerseits durchaus richtig, dass verpflichtendes Bloggen mit Vorgaben zur Vernetzung teilweise zu erzwungenem Diskutieren und Vernetzen führt. Andererseits sind den Studierenden die Möglichkeiten beim Bloggen zu Beginn oftmals gar nicht bewusst, die zumeist erst bei kontinuierlichem und regelmäßigem Posten zu Tage treten oder es fehlen bestimmte Fertigkeiten (z.B. das Erzeugen eines Pingbacks), die schnell die Motivation nehmen.
  • Ich denke, dass Studierenden zu Beginn Ihres Bloggens ein Bewertungsschema helfen kann, um sich zu orientieren, dranzubleiben und auch mehr Transparenz in die Bewertung ihrer Lerntätigkeit zu bekommen. Sie können auf diese Weise ein systematisches Feedback erhalten, um nicht sinnlos „ins Off“ zu bloggen, wie es viele von Ihnen oft beschreiben, wenn sie ungeduldigerweise nicht gleich in den ersten Monaten einen externen Kommentar erhalten, was gar nicht der Haupt-Anspruch dieses Bloggens sein sollte.
  • Und wieso sollte man den Studierenden nicht für seine geleistete Arbeit im Blog belohnen, indem man das dargestellte Wissen gezielt bewertet, wie man es bei anderen zu erbringenden Studienleistungen auch tut? Langfristig wäre dies vielleicht sogar als Hausarbeits-Ersatz denkbar, der dann nicht nur einen Wissensstand am Ende des Semesters, sondern einen gesamten Erkenntnisprozess widerspiegeln kann. Das aber vorerst als Vision.
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Über Marcel

Dr. phil. Marcel Kirchner ist seit April 2023 bei der Continental AG im Bereich Group Communications and Public Affairs als Community and Development Manager sowie Head of Communicators Academy tätig. Zuvor war er seit Januar 2018 in der Group IT als Solution Manager für Collaboration Applications im Einsatz und beschäftigt sich seitdem vor allem mit dem Schwerpunkt Modern Workplace Learning sowie dem Einsatz von Social Collaboration-Tools als Service Owner für SharePoint Online im Zusammenspiel mit anderen Applikationen wie z.B. Microsoft Teams und HCL Connections. Bis Ende 2017 war er als Collaboration-Berater und Trainer bei der GIS AG beschäftigt und half dort beim Aufbau der Corporate Learning-Abteilung. Als Diplom-Medienwissenschaftler war Marcel Kirchner bis Februar 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promotionsstudent im Fachgebiet Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau. Er beschäftigte sich hier mit dem Einsatz von Social Software und insbesondere E-Portfolios vor allem in der Hochschullehre.

4 Gedanken zu „Systematischer Weblog-Einsatz in der Lehre

  1. Christian Spannagel

    Hi Marcel,

    hier einige Gedanken zu deinen Diskussionspunkten:

    Zu 1) Ich bin vollkommen deiner Meinung: Es soll natürlich nicht nur „Perfektes“ gebloggt werden, sondern gerade durch das Bloggen von Unfertigem kann man wertvolles Feedback erhalten (bzw. allein das Bloggen hilft schon dabei, die eigenen Gedanken zu ordnen).

    Zu 2) Der Problematik mit Blog-Neulingen versuche ich dadurch zu begegnen, dass ich die Studierenden zunächst mal Weblogs lesen lasse, bevor sie mit dem Schreiben anfangen. So bekommen sie schon mal einen Eindruck von der „Weblog-Atmosphäre“.

    Zu 4) Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Natürlich kann es Situationen geben, in denen die Bewertung von Weblog-Beiträgen passt. Beide Pole („extrinsisch“, „intrinsisch“) haben Vor- und Nachteile, und diesen muss man sich bewusst sein, wenn man sich für eine Variante entscheidet. Ich wende mich nur gegen die Behauptung, dass man Beiträge bewerten MUSS, damit Studierende etwas tun (bzw. dass Studierende nichts tun, wenn man ihnen keine Punkte dafür gibt). Daher stelle ich gerne Alternativen vor, die aufzeigen, dass man durchauch aus Lernsituationen gestalten kann, in denen selbstbestimmte Formen der Motivation zum Webloggen gefördert werden können. Und meiner Ansicht sollte man diese Form wählen, wenn man Weblogs nicht „nur“ als Medium einsetzt (Abgabemedium, E-Portfolio, …), sondern dann, wenn man möchte, dass Studierende „authentisch bloggen“ (d.h. wenn das Bloggen im „freien Web“ nachempfunden werden soll).

    1. Marcel Beitragsautor

      zu 2) Das ist ein sehr guter Ansatz, den wir bisher noch vernachlässigt haben und der sicherlich sehr sinnvoll ist. Im letzten Semester fehlte im Rahmen der Vorlesung einfach die Zeit für eine solche Einführung, aber bei verändertem Konzept sollte es gehen. Viele (v.a. handwerkliche) Dinge des Bloggens lassen sich allerdings erst beim Selbst-Ausprobieren erlernen (Beispiel Pingback).

      zu 4) Ich verstehe Deine Ansicht voll und ganz und denke, dass es sehr gute Beispiele für intrinsisch motiviertes Bloggen gibt – man kann halt langfristig gesehen auch nicht alle zum Bloggen bewegen, manch einer findet es gut, weil er z.B. gerne schreibt, ein anderer nicht. Wichtig finde ich allerdings die Verpflichtung, Kenntnis darüber zu haben, wie es funktioniert, was dahinter steht und was man damit erreichen kann. Dafür sollte jeder da einfach mal eine Zeit lang ausprobieren und sich dann entscheiden. Verstehe aber, dass Du sagst, dass es kein richtig „authentisches Bloggen“ ist, wenn man bewertet, sondern eben eine Methode bzw. ein Werkzeug zum Einsatz im Lernkontext, ähnlich wie eine Klausur, Hausarbeit oder ein Referat. Interessant könnte dabei sein, was angenehmer/lernintensiver/effektiver etc. ist – eine Antwort auf eine auswendig gelernte Klausurfrage oder ein erkenntnisreicher Blog-Beitrag?

      Es ist allerdings ein Phänomem, dass jeder Student immer sofort das Verlangen nach Transparenz in der Bewertung hat (Wie erreiche ich meine Punkte? Was muss ich dafür erbringen?). Sehr wenige Dinge im Hochschul-Kontext werden heute noch aus idealistischen Gründen geleistet, dazu zählt sicher auch das frei gestellte Bloggen. Könnte das am Bildungssystem liegen?
      Im letzten Semester gab es auch ein Forschungsseminar zu E-Portfolios, in dem wir allen Studierenden die Möglichkeit einräumten, ihre Erkenntnisse in einem Blog kontinuierlich bereitzustellen…aber eben ohne Bewertungsgrundlage. Keiner der 23 Teilnehmer fing mit dem Bloggen an.

  2. Christian Spannagel

    Zu deinem letzten Punkt: Ich denke, nur die Möglichkeit des Bloggens einzuräumen, ist zu wenig. Einfach die Technik bereitzustellen und dann die Teilnehmer „sich selbst zu überlassen“ führt in der Regel dazu, dass gar nichts passiert. Meiner Ansicht nach muss man eine Lernumgebung gestalten, die selbstbestimmt motiviertes Lernen fördert. D.h. man muss den Kontext so gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit höher wird, dass Studierende von selbst anfangen zu bloggen. Einige Ideen dazu habe ich in folgendem Artikel beschrieben: http://tinyurl.com/4ulf3r

  3. Pingback: chrisp's virtual comments

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