Nachdem ich gestern im „kleinen Kreis“ des Doktoranden-Kolloquiums der Arbeitsgruppe „Digitale Medien in der Bildung (dimeb)“ unter der Leitung von Prof. Dr. Heidi Schelhowe den aktuellen Stand meines Promotionsvorhabens vorgestellt und bereits zahlreiche Hinweise erhalten habe, möchte ich ganz in der Manier eines öffentlichen Wissenschaftlers den heute nachträglich aufgezeichneten Vortrag innerhalb unseres 8. Video-Podcasts hier im „großen Kreis“ der Edu-Blogosphäre zur Diskussion stellen.
Nach einer etwas zu ausführlich geradenen Einführung in die theoretischen Grundlagen des Vorhabens (E-Learning 2.0, Bedeutungszuwachs des Internets für Jugendliche, PLE, aber auch persönliches Wissensmanagement), gehe ich (ab 15:56) genauer auf ein für das Sommersemester 2010 geplantes Seminarkonzept ein, welches mehr oder weniger den Rahmen meiner Arbeit vorgibt.
Anschließend stelle ich mein Promotionsthema unter dem Titel:
Einsatz internet-gestützter Werkzeuge zur Unterstützung selbstgesteuert-konnektiven Lernens in der persönlichen Lernumgebung
– Herausforderungen und Potentiale –
vor und beleuchte meinen Untersuchungsgegenstand, die zentrale Fragestellung sowie die bis jetzt geplante methodische Vorgehensweise näher, bevor ich mit dem aktuellen Zeitplan schließe.
Nicht nur weil mir im Nachhinein aufgefallen ist, dass ich es in den Quellenangaben am Ende der Präsentation vergessen habe, möchte ich hier nochmal besonders auf das Buch „Wissenswege – Methoden für das persönliche Wissensmanagement“ von Prof. Gabi Reinmann und Martin J. Eppler hinweisen, welches ich zur Erweiterung unseres Modells des selbstgesteuert-konnektiven Lernens mit PLE um die Beschreibungsebene der Umwelt- und Aktivitätsdimension herangezogen habe.
Auf die im Kolloquium angesprochenen Kritikpunkte möchte ich erstmal nicht weiter eingehen, um einer eventuell hier entstehenden Diskussion die Richtung nicht vorzugeben.
Viel Spaß beim Anschauen 🙂
PS: Falls der ein oder andere Punkt unverständlich geblieben sein sollte, bitte einfach in den Kommentaren eine Frage hinterlassen.
Inwieweit haben PLEs für die Studierenden bei Euch eine wirkliche Bedeutung außerhalb der theoretischen Erarbeitung in den Seminaren?
Ich habe zumindest bei den Schüler/innen den Eindruck, dass „PLEs“ bisher kaum eine Rolle spielen. Lernen findet im Netz bisher kaum Unterstützung – was sicherlich auch an den Lehrenden liegt. Und ich vermute, dass dies an den Unis kaum anders ist als in der Schule.
Hallo Felix,
in den Unis ist das natürlich nicht anders, aber genau da liegt für mich der Knackpunkt!
Zunächst einmal muss geklärt sein, was man unter einer PLE versteht. Für mich steckt da nicht nur ein technologisches Konzept dahinter oder gar ein neues Softwareprodukt, welches den Studierenden von der Institution auferlegt wird.
Ich verstehe eine PLE als lose, vernetzte Tool-Landschaft („loosely joined pieces“) zur Unterstützung des selbstgesteuert-konnektiven Lernens (siehe hier). Konnektiv betont hierbei die gezielte Verwendung von Social Software, um sich über das Netz mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Wichtig ist hierbei, dass die Einrichtung einer PLE nur vom Lerner selbst erfolgen kann – schließlich ist sie persönlich! Der Lehrer/Dozent steht hierbei nur anleitend zur Seite und gibt Empfehlungen, stellt also einen möglichen Einsatz von Werkzeug X für Methode Y vor. Ob und inwieweit der Lernende es verwendet, bleibt ihm überlassen.
Beste Grüße,
Thomas
Bei dem ‚workload‘, den heutige Studierende durch credit-points ableisten müssen, tendiert Lernen schnell zu einer Kosten-Nutzen Abwägung. Nutzen tut, was gute Noten bringt. Und für eine gute Note brauche ich einen Bewertungsrahmen. Dieser ist bei den PLEs nicht nur nicht gegeben, sondern muss eigentlich komplett ausgeschlossen werden.
Welchen Anreiz bietet man Studierenden (und Schüler/innen), um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, wenn gleichzeitig alles um sie herum kaum dynamisch ist, sondern auf Papier beruht und in Kernlehrpläne und Kompetenzraster untergliedert ist?
Wahrscheinlich wird man in einer Studie nachweisen können, dass Studierende, die sich ihr PLE aktiv aufbauen und nutzen, auch im Studium erfolgreicher sind. Aber reicht das als Motivation, dass alle durch die mühevolle Einstiegsphase gehen und die Tools kennen zu lernen?
Die Einstellung zum Studium (und zur Schule) passt noch nicht so recht zu den neuen Tools, so scheint es mir.
Hallo Felix,
du hast recht, Studierende wägen natürlich Kosten und Nutzen voneinander ab (hab ich damals auch gemacht) und im Bachelor wird dies sogar noch mehr gefordert als vielleicht zu Zeiten des Diplom, wo doch auch noch mal Zeit blieb, extracurricularen Aktivitäten nachzugehen – aber das ist eine andere Baustelle…
Richtig ist auch, dass eine PLE keinen Bewertungsrahmen bietet, was es gerade so schwierig macht diese Art des Lernens bzw. die bewusste Auseinandersetzung mit den Werkzeugen und Methoden innerhalb herkömmlicher Lehrveranstaltungen zu fördern. Ich selbst und sicher auch viele andere, die E-Learning 2.0 im Lehreinsatz testen, stellen deshalb auch immer wieder enttäuscht fest, dass sich eine langfristige Nutzung von Web 2.0 auch über das eigentliche Seminar hinaus bei den wenigsten Studierenden einstellt. In meinen Seminaren z.B. in denen ich Weblogs eingesetzt habe, kam auf 20 Studierende bestenfalls eine/r, die/der dieses Werkzeug auch weiterhin und v.a. auch in anderen Kontexten verwendet hat.
Genau das ist der Grund, warum ich Studierende losgelöst von „regulärer“ Lehrveranstaltungen an die möglichen Mehrwerte eines selbstgesteuert-konnektiven Lernens heranführen will und zwar innerhalb der vom Bachelor vorgeschriebenen Studium-generale-Angebote, die ja auch gerade dem Aufbau von Schlüsselkompetenzen dienen sollen.
Könnte eine Studie nachweisen, dass Studierende, die sich ihre PLE aktiv mit internet-gestützten Werkzeugen aufbauen und nutzen, auch im Studium erfolgreicher sind (bzw. dessen Anforderungen besser gewachsen sind), sollte dies m.E. auch Lehrenden Grund genug sein an diese offene Lernkultur anzuknüpfen und diese gezielt zu unterstützen.
Letztlich mit der Vision, dass am Anfang eines Seminars mit Medieneinsatz erst gar keine mühevollen Einstiegsphasen mehr stattfinden müssen und man von Studierenden Sätze hört wie: „OK, wir richten uns eine Kategorie in unseren Blogs zum Seminar ein und schicken ihnen dann den Link zum RSS-Feed.“
Beste Grüße,
Thomas
Ich denke, das Problem, PLE’s in der Hochschul_LEHRE_ einzusetzen, hat etwas damit zu tun, dass sie zunächst und vor allem im Hochschul_STUDIUM_ eingesetzt werden müssen: es sind ja _persönliche_ Lernumgebungen gemeint, d.h. sie müssen auf die persönlichen Lernthemen der Studierenden zugeschnitten (und für diese eingesetzt) sein, und das sind längst nicht alle und oft nicht nur solche aus den jeweiligen Lehrveranstaltungen.
ich denke, um PLE’s einzusetzen benötigen Lernende nicht nur das ‚know how‘ sondern vor allem das ‚know why‘ – sie müssen einen Sinn darin sehen. Und der entsteht m.E. nur dadurch, dass sie auch den Raum bekommen, ihre eigenen Lernprojekte zu verfolgen und zu verwirklichen…
vgl. auch meinen Blogpost hier: http://einbildungsblog.wordpress.com/2009/10/10/der-kampf-mit-moodle-und-warum-ich-das-uberhaupt-tue/
(trackback funktioniert aus irgendeinem Grund nicht)
Hallo Thomas,
hab mir Deinen Podcast angehört. Hört sich echt spannend an. Sicherlich muss da noch vieles spezifiziert werden, aber alles in allem sind wir mit unseren Themen wirklich nah beieinander. Ich fänds toll wenn wir uns in unserem Colloquium in Berlin, das wir idealerweise online mit Eurem colloquium koppeln könnten (mitte November) nochmal speziell mit Deiner Fragesstellung befassen könnten. Ich meld mich dazu in Kürze nochmal via Skype oder Telefon.
Grüße aus Berlin
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
stimmt, im Moment ist es noch relativ allgemein gehalten, aber die Fokussierung ist im Moment im vollen Gange 😉
An einem Austausch bin ich natürlich immer sehr interessiert! Melde Dich einfach.
Beste Grüße,
Thomas
Pingback: Der Kampf mit moodle – und warum ich das überhaupt tue « ein_bildungsblog
So, ich habe es jetzt endlich geschafft, den Podcast anzuschauen, und hoffe dass ich trotz einiger technischer „Aussetzer“ das Wesentliche mitbekommen habe.
Mir ist auch aufgefallen, dass der Begriff „Medienkompetenz“ bei Dir mir nicht ganz klar geworden ist (bzw. auch einfach für unterschiedliches verwendet wird). An einer Stelle klang an, dass sich dieser auch noch verändern bzw. verworfen werden könnte – das fände ich schade, weil es im Prinzip doch genau das ist, was Du in den Seminaren fördern willst. Und: Es gibt ja auch schon bereits Konzeptionen des Begriffs, die unterschiedliche Dimensionen präzisieren und zueinander in Beziehung setzen (auch wenn es vielleicht aus einer anderen theoretischen Richtung stammt – ich denke da v.a. an Schorb, Baacke etc.). Ich denke darin läge eine Möglichkeit, die unterschiedlichen Bedeutungen, die bei Dir jetzt in dem Begriff anklangen, deutlich zu präzisieren (das hat vielleicht sogar Potential zu späteren Untersuchungskategorien etc.). Denn klar, die Studierenden sind ‚medienkompetent‘ in dem Sinne dass sie Studi-VZ nutzen (technische Nutzung), aber nicht in dem Sinne, dass sie in Bezug auf ihre eigenen Lerninteressen sich über die Medien vernetzen und austauschen (Partizipation durch Medien bzw. an der Medienentwicklung).
Was die Frage der Methoden angeht: ich sehe, wenn Du nach „Qualität und Intensität“ von Lernprozessen fragst, auch möglicherweise eher qualitative Forschungsmethoden. Die passen aber vielleicht (semantisch) nicht unbedingt zu Deiner Ausgangsfrage bzw. den Hypothesen (die ja eher als falsifizierbare ja-nein-Fragen formuliert sind). Was ich noch nicht mitbekommen habe: Planst Du die Untersuchung quasi längsschnittlich? (also: wie lernen die Studenten am Anfang, wie zwischendurch, oder am Ende? – oder willst Du nur am Ende quasi einen „Rückblick“ erheben?)
Also ich könnte mir vorstellen, dass man die Ausgangsfrage etwas offener stellt, nämlich „wie verändern sich Lernprozesse… durch die Förderung……“ und diese dann qualitativ-längsschnittlich untersucht (was jetzt natürlich die Kombination mit quantitativen Methoden auch nicht ausschließt!). Das wäre das was ich jetzt verstanden habe und wie ich mir das vorstellen könnte (was ja noch lange nicht Dein Zugang sein muss).
Ganz spannend finde ich das Konzept des „Online-Praktikums“, v.a. weil es sich auf Lernprojekte der Studierenden bezieht (so wie ich das verstanden habe), die also unabhängig vom Erlernen der tools, der Einrichtung einer PLE usw. bestehen und für die Studenten so interessant sind, dass sich der Einsatz und das Risiko (der öffentlichen Darstellung…) auch lohnt. also wie ich oben versucht habe zu sagen, dass die PLE von den Studenten fürs Studieren eingesetzt wird (und nicht „für die Lehre“).
Da bin ich wirklich gespannt, was du herausfindest!
Hallo Karla,
zunächst einmal vielen Dank für dein Feedback. Ich wollte dir bereits auf den ersten Kommentar antworten, bin aus Zeitmangel jedoch noch nicht dazu gekommen. Nun aber zu deinen Anregungen:
Begriff: Medienkompetenz
Ich stimme dir zu, dass ich im Podcast den Medienkompetenz-Begriff z.T. sehr unterschiedlich verwendet habe. Dies lag natürlich an der Mehrdimensionalität des Begriffes. Vor dem Podcast hatte ich mich zugegebenermaßen noch nicht in der Tiefe mit den einzelnen Dimensionen auseinandergesetzt. Bisher hatte ich nur die Einteilung von Baacke in Medien-Kunde, – Kritik, -Nutzung und -Gestaltung genauer angeschaut, da sich für mich hier direkt Untersuchungskategorien ableiten ließen. Ich werde mir aber in den kommenden Wochen auch die weiteren Differenzierungen von Medienkompetenz genauer unter die Lupe nehmen, was dann sicher auch einen Beitrag hier im Blog ergeben wird.
Frage der Methode
Auch im dimeb-Kolloquium kam die Kritik, dass man die „Güte“ oder „Qualität“ eigentlich nur qualitativ erheben kann. Weswegen auch ich im Moment mit einem Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden liebäugle. Nach aktuellem Stand soll es in der Untersuchung einen Einstiegs- und eine Ausstiegsfragebogen geben. Die dort erhobenen quantitativen Ergebnisse möchte ich über ein weiteres qualitatives Instrument bereichern. Eventuell werde ich Interviews durchführen, aber auch die Aufzeichnungen der Lösung konkreter Problemstellungen ausgewählter Studierender ist denkbar.
Online-Praktikum & PLE
Du hast das völlig richtig verstanden: Über das Online-Seminar sollen Hilfestellungen angeboten werden, damit Studierende sich ihre eigene persönliche Lernumgebung besser einrichten können. Anhand selbstgewählter Lernprojekte können sie schauen, ob sich die so eingerichtete Umgebung tatsächlich als sinnvoll erweist oder ob das ein oder andere angepasst werden sollte.
Ich sehe das sehr ähnlich wie du, gerade wenn wir von einer persönlichen Lernumgebung sprechen, muss der Studierende selbst entscheiden können welche Strategien/Methoden und Werkzeuge zum Einsatz im Lernprozess kommen sollen und testen kann er dies sicher am besten in eigenen Projekten, wo die Motivation von vornherein eher vorhanden ist, als z.B. in einer Pflichtveranstaltung.
„Da bin ich wirklich gespannt, was du herausfindest!“
Das geht mir genauso 🙂
Beste Grüße,
Thomas
PS: Wo lag denn die Ursache für die technischen Aussetzer?