In diesem Kapitel sollen der Ursprung und die Entwicklung des Begriffes E-Learning 2.0 dargestellt werden. Darüber hinaus werden erste lerntheoretische Hintergründe zur didaktischen Gestaltung von Lehrveranstaltungen mit einem Blended Learning-Konzept beschrieben und die neue Lerntheorie des Konnektivismus von George Siemens vorgestellt.
Zunächst soll aber angerissen werden, was unter selbstgesteuertem Lernen zu verstehen ist. Grundsätzlich basiert dieses Konzept auf konstruktivistischen Annahmen, nach denen das Lernen als ein individueller und konstruktiver Prozess angesehen wird, bei dem das Wissen im Individuum konstruiert wird und an den bereits vorhandenen Wissensstrukturen anknüpft, wobei individuelle Erfahrungen des Lernenden berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus wird Lernen nach dieser Auffassung als aktiver („eigenaktive Beteiligung“), emotionaler („positive Emotionen“), sozialer (Kommunikation und Interaktion) und situativer („in der Lebenswelt verankert“) Prozess angesehen. Selbstgesteuert ist dieses Lernen dann, wenn der Lernende seinen Lernprozess selbst organisiert und leitet sowie sein Lernen je nach Identifikation mit dem Lernstoff an sein individuelles Lerntempo anpasst (vgl. Kurz 2006, 64 f., Mandel / Kopp / Dvorak 2004, 9 ff.). Diese Auffassung erscheint sehr stark geprägt von dem Einzelnen, der sein Lernen zunächst an verschiedenen Faktoren ausrichtet und anschließend mit anderen Kontakt aufnimmt, um zusätzliches Wissen zu erwerben. Fraglich bleibt, ob dieses Verständnis für die Erscheinungsformen der Kommunikation und Interaktion in Learning Communities ausreicht und ihrem Bestreben nach „vernetztem“ Lernen vollends gerecht werden kann.
2.1 Forschungszusammenhang und Begrifflichkeiten im E-Learning 2.0
Im Oktober 2005 brachte der Designer und E-Learning-Experte des National Research Council of Canada, Stephen Downes, den Begriff „E-Learning 2.0“ hervor, dessen Kriterien das mediengestützte, elektronische Lernen in seiner bisherigen Form durch den Einsatz markanter Social Software aus dem Web 2.0-Bereich weitgehend (r)evolutionieren wird / kann (vgl. Wikipedia 2006a, Wikipedia 2006b).
Die im E-Learning Verwendung findenden Learning Management Systems (LMS) basieren auf dem Instruktionsdesign mit den lerntheoretischen Ansätzen des Behaviorismus, Kognitivismus oder Konstruktivismus. Danach wurden die traditionellen „Distance Learning“-Theorien einfach auf die Online-Welt übertragen: „[…] Content is organized according to this traditional model and delivered either completely online or in conjunction with more traditional seminars, to cohorts of students, led by an instructor, following a specified curriculum to be completed at a predetermined pace.“ (Downes 2005) Dem steht nun ein verändertes Verhalten der Internet-Nutzer gegenüber, indem vor allem die jüngere Generation als „digital natives“ bezeichnet wird, da sie zunehmend mit dem Internet aufwächst. Sie kann Informationen schnell über Bilder und Videos sowie Text simultan und aus unterschiedlichen Quellen verarbeiten. Sie erwartet sofortiges Feedback und konstanten Kontakt zu ihren Freunden sowie ständigen Zugang zu all ihren Daten. Es entwickelt sich ein Trend hin zum „lerner-zentrierten“ Design, indem die Kontrolle über das Lernen selbst in die Hände des Lerners gelegt wird. So wurde eine Entwicklung weg vom reinen Instruktionsdesign hin zu einer neuen Lerntheorie des Konnektivismus (Connectivism) nach George Siemens vorangetrieben (siehe auch Kapitel 2.3) (vgl. Downes 2005).
Das Internet hat sich verändert, es hat sich an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst. Anders ist es nicht zu erklären, dass „Social Networking Sites“ wie „StudiVZ“ sich in kürzester Zeit so großer Beliebtheit erfreuen können. So entstehen große Kommunikationsnetzwerke, in denen immer deutlicher wird, dass das Internet vom „Read-Web“ zum „Read-Write-Web“ avanciert. Nie war es einfacher Text, Bild, Audio, Video und Multimedia zu erstellen, teilen, verändern und zu veröffentlichen, wie im Web 2.0. Die maßgeblichen Entwicklungen hierfür sind: Blogs zum Erstellen / Publizieren von Inhalten; Newsfeeds zum Verbinden der Blogs und Community-Bildung; Wikis zum kollaborativen Arbeiten; Podcasts zum Erstellen / Publizieren von Audio-Inhalten. Es ist die Möglichkeit entstanden, kleine Informationseinheiten auszutauschen, die weit verbreitet werden können (vgl. Downes 2005). Doch dem nicht genug: „[…] Web 2.0 is an attitude not a technology. It’s about enabling and encouraging participation through open applications and services. By open I mean technically open with appropriate APIs but also, more importantly, socially open, with rights granted to use the content in new and exciting contexts. […]“ (Davis 2005)
Downes führt die Entwicklungen des Social Networking auf die von Etienne Wenger geprägte „Community of Practice“ zurück: „[…] According to Wenger, a community of practice is characterized by ‚a shared domain of interest‘ where ‚members interact and learn together‘ and ‚develop a shared repertoire of resources.‘ […]“. Die aktuellen technischen Gegebenheiten machen Computer allgegenwärtig („ubiquitous computing„) und dies überträgt sich auch auf das Lernen im Alltag: „[…] The challenge will not be in how to learn, but in how to use learning to create something more, to communicate.“ E-Learning 2.0 versucht nun die herkömmlichen abgeschlossenen Lernergruppen sowie die festen Start- und Endpunkte eines Seminars aufzubrechen. Die neuen Werkzeuge Blogs, Podcasts und Wikis ermöglichen den Austausch über Themen mit den Kommilitonen und Gleichgesinnten weltweit und fördern so die Vernetzung, durch die Verbreitung (Syndizierung) und Aggregation via Newsfeeds untereinander. Hierbei wird das herkömmliche E-Learning-Modell, indem die Inhalte von einzelnen Produzenten produziert und in Kursen organisiert und strukturiert werden, aufgebrochen. Zur gemeinsamen Nutzung dieser Tools sind „Personal Learning Centers“ geeignet, weil sie eine Sammlung von miteinander operierenden Anwendungen, ähnlich einem System, bieten. Im Zusammenhang damit sollte eine Entwicklung eines „Personal Portfolio Tools“ wie z.B. ELGG vorangetrieben werden (vgl. Downes 2005).
Darüber hinaus wird auch eine zunehmende Entwicklung hin zu informellem Lernen erkennbar. So beschreibt Wolfgang Müller vom CIO-Weblog, dass der Einsatz von Wikis, Chats, Blogs usw. weniger formale Lernformen hervorruft als es bei bisherigen Lernangeboten der Fall war, da vielfältige Facetten einer Themenstellung mit Interessierten aus der ganzen Welt diskutiert und bearbeitet werden können (vgl. Müller 2005).
2.2 Blended Learning als Mischform des Lernens
Für den Einsatz eines Lernportals, in welchem Web 2.0-Technologien möglichst einfach integriert und mit Hilfe dessen der Umgang mit diesen Technologien sowie die damit verbundenen Lernweisen in einem Hochschul-Seminar untersucht werden können, stellt sich die Frage, wie die notwendigen Kenntnisse im Umgang mit dem Portal, den Technologien und dessen Anwendung zum Erlernen von konkreten thematischen Sachverhalten effektiv vermittelt werden können, sodass in relativ kurzer Zeit entsprechende Medienkompetenzen, sofern nicht schon vorhanden, erworben werden.
Dafür erscheint der Ansatz des Blended Learning, bei dem „[…] man in aller Regel die Kombination von unterschiedlichen Methoden und Medien aus Präsenzunterricht und E-Learning. […]“ versteht, sinnvoll. „Man spricht auch vom Lernen im Medienverbund oder – mehr auf die Medien selbst fokussiert – von hybriden Lernarrangements. Mittels einer geeigneten Zusammenstellung soll das Lernziel einer Bildungsmaßnahme bzw. eines Lernraums möglichst effizient und effektiv erreicht werden. Entweder werden dabei Methoden und Medien redundant angeboten, so dass Benutzer je nach Präferenzen und Kompetenzen lernen können, oder einzelne Module bzw. verschiedene Methoden und Medien aus Präsenz- und E-Learning-Maßnahmen bauen aufeinander auf und ergänzen sich. So findet häufig am Beginn eines Kurses eine Präsenzveranstaltung statt, bei der sich die Teilnehmer kennen lernen, wodurch eine wichtige Voraussetzung für E-Collaboration geschaffen wird. […]“ (Bendel / Hauske 2004, 41). Man spricht von einer Mischung aus „Präsenz- und E-Learning-Lehr/Lerneinheiten“ sowie „Präsenz- und E-Learning-Lehr/Lernaktivitäten“, wobei der Anteil an Präsenz- und E-Learning-Teilen variieren kann (vgl. Kristöfl / Sandtner / Jandl (Hg.) 2006, 9). (weiterführende Literatur siehe Kapital 2.4)
2.3 Konnektivismus – „Eine Lerntheorie für das digitale Zeitalter“
Angepasst an die Trends im Umgang mit neuen digitalen Medien und Technologien, insbesondere dem Internet als „Lernmedium“, entwickelte George Siemens, Gründer und Präsident des Bildungslaboratoriums Complexive Systems Inc. sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Learning Technologies Center der University of Manitoba, eine neue Lerntheorie, die 2004 veröffentlicht wurde. Der Konnektivismus weist in seinen Prinzipien über die bisherigen lerntheoretischen Ansätze des Behaviorismus, Kognitivismus und sogar des Konstruktivismus hinaus und berücksichtigt dabei die zunehmende Tendenz des Lerners hin zu informellem, vernetztem und elektronisch gestütztem Lernen. Das Lernen wird immer mehr zu einem kontinuierlichen, lebenslangen Prozess, der in alltägliche Arbeits- und sogar Freizeitaktivitäten eindringt und sowohl den Einzelnen als auch die Organisation und deren Verbindungen untereinander beeinflusst. Es entstehen „Communities of Practice“, persönliche Netzwerke und kollaborative Arbeitsszenarien (vgl. Siemens 2006a; vgl. Siemens 2005). „Know-how and know-what is being supplemented with know-where (the understanding of where to find knowledge needed).“ (Siemens 2005)
Theory | Learning model | Learning resides |
Behaviourism | “Black box†| Behaviour demonstration |
Cognitivism | Computer-model | In the mind of the individual – processed |
Constructivism | Creation or construction of meaning (Building) | In the mind of the individual – constructed |
Connectivism | Networks and ecologies, connections | Distributed, in network |
Tabelle: Connectivism. A Learning Theory for a Digital Age – Learning Theories.
Modifiziert aus einem Vortrag von George Siemens auf den SURF Education Days 2006 in Utrecht / Niederlande vom 15.-16. November.
Quelle: http://www.elearnspace.org/presentations/connectivism_utrecht.ppt (Zugriff am 30.12.06)
Entscheidende Grenzen, die bisherige Lerntheorien nicht zu überwinden vermögen, sind nach Siemens vor allem darin begründet, dass Lernen über besagte theoretische Auffassungen hinaus auch außerhalb des Lernenden auftritt, z.B. wenn es mittels bestimmter Technologien aufbewahrt und verändert werden kann. Sogar konstruktivistische Ansichten, die beschreiben, dass das Lernen ein sozial-motivierter Prozess ist, berufen sich immer wieder lediglich auf die Bedeutsamkeit des Individuums und dessen interne, gehirn-aktive Prozesse beim Lernen, ohne dabei auch zu berücksichtigen, wie das Lernen in Organisationen oder in vernetzten Strukturen funktioniert. Darüber hinaus betrachten bisherige Lerntheorien vordergründig den Lernprozess an sich und beachten nicht, dass das Entdecken und Auswerten des Wertes oder Nutzens der Informationen, die wir zum Lernen benötigen, in einer vernetzten Welt mit ständig steigender Informationsmenge zu einer Meta-Kompetenz eines jeden Lerners wird und erst die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Lernen schafft (vgl. Siemens 2005). „[…] We derive our competence from forming connections […] Chaos is a new reality for knowledge workers. […] Unlike constructivism, which states that learners attempt to foster understanding by meaning-making tasks, chaos states that the meaning exists – the learner’s challenge is to recognize the patterns which appear to be hidden. Meaning-making and forming connections between specialized communities are important activities.“ (Siemens 2006a; vgl. Downes 2005) Durch diese starke und vor allem technologisch bedingte Veränderung der Bedingungen für den Lernenden ergibt sich nach Siemens die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes.
Der Konnektivismus enthält dabei folgende wesentlichen Prinzipien:
- Denken und Emotionen beeinflussen sich gegenseitig und müssen daher beide im Lernprozess zur Bedeutungsproduktion berücksichtigt werden.
- Lernen besteht nicht nur aus dem Erwerb von neuen Fähigkeiten oder dem Verstehen eines Sachverhaltes, sondern auch aus der Motivation, über die ein Lerner verfügt, um schnelle Entscheidungen zu treffen oder sich mit Prinzipien auseinanderzusetzen.
- Lernen ist ein Prozess, bei dem verschiedene Informationsquellen und -knoten miteinander verbunden werden. Der Lernende kann sein Lernen erheblich verbessern, wenn er sich in ein bestehendes Netzwerk oder in eine bestehende Gemeinschaft zum entsprechenden Thema integriert.
- Es ist wichtiger zu wissen, wo man Informationen finden kann, als die Information selbst immer sofort genau zu durchdringen, da sie z.B. auch von anderen Quellen oftmals schon zusammengefasst wurde und so im Rechercheprozess schneller erschlossen werden kann.
- Der Aufbau von Konnektionen zum Erlangen von Informationen oder genauerem Verständnis führt meist zu größeren Belohnungen als das einfache Suchen. Die Pflege von Konnektionen erleichtert das Lernen.
- Lernen und Wissen erhalten eine Meinungsvielfalt.
- Lernen vollzieht sich über unterschiedliche Art und Weisen, wobei eine Lehrveranstaltung nicht der einzige „Lernkanal“ sein muss (z.B. Blogs lesen, Konversationen führen usw.).
- Eine Kernkompetenz für effektives Lernen stellt die Fähigkeit dar, Verbindungen zwischen verschiedenen Wissensfeldern, Ideen und Konzepten zu erkennen.
- In einem „Kreislauf der Wissensentwicklung“ ist das persönliche Wissen des Einzelnen in ein Netzwerk eingebunden, dass in Organisationen bzw. Institutionen etabliert wird. Dadurch wird ein großer Wissensfundus über die Institution im Netzwerk verteilt und kann so dem Einzelnen wiederum als Lernquelle dienen („cycle of knowledge development“). Konnektivismus versucht dabei das Verständnis für beide Lernarten bereitzustellen.
- Die Intention allen konnektivistischen Lernens ist Aktualität.
- Das Treffen von Entscheidungen im Hinblick darauf, was gelernt werden sollte und wie bedeutungsvoll eine Information ist, beschreibt selbst einen Lernprozess, der von Veränderungen in der Informationsaufnahme beeinflusst werden kann.
- Lernen ist ein „Wissensbildungsprozess“ und bedeutet nicht, nur Wissen zu konsumieren.
(vgl. Siemens 2006a)
Konnektivismus stellt damit ein Lernmodell auf, dass die gesellschaftlichen Veränderungen im Lernen von Menschen als zunehmend nach außen tretende, vernetzte Aktivität berücksichtigt. Dies hat großen Einfluss auf das Knowledge Management des Individuums und der Organisation und damit auf die Gestaltung und Entwicklung zukünftiger Lernumgebungen (vgl. Siemens 2005).
Weiterführende Informationen und Kritikpunkte zur Lerntheorie sind im zugehörigen Blog und Wiki unter http://www.connectivism.ca zu finden.
2.4 Weiterführende und relevante Literatur
Selbstgesteuertes Lernen:
Breuer, J. (2001): Selbstgesteuertes Lernen, kooperatives Lernen und komplexe Lehr-/Lernmethoden In: Esser, Friedrich H. / Twardy, Martin / Wilbers, Karl (Hrsg.): E-learning in der Berufsbildung. Eusl, Paderborn.
Röll, Franz J. (2004): Von der Instruktion zur Navigation. In: Otto, Hans-Uwe; Kutscher, Nadine (Hrsg.): Informelle Bildung Online. Juventa, Weinheim und München
Röll, Franz Josef (2003): Pädagogik der Navigation – Selbstgesteuertes Lernen durch Neue Medien. Kopäd, München.
Blended Learning:
Kröger, Helga / Reisky, Antares (2004): Blended Learning – Erfolgsfaktor Wissen. Bertelsmann, Bielefeld.
Reinmann, Gabi (2006): Blended Learning in der Lehrerbildung. Grundlagen für die Konzeption innovativer Lernumgebungen. Pabst, Lengerich.
Röll, Franz J. (2005): Extended Blended Learning – Innovative Lernszenarien für die Hochschule. In: Kleber, Huber (Hrsg.): Perspektiven der Medienpädagogik in Wissenschaft und Bildungspraxis. Kopäd, München, S. 173 – S. 186.
Sauter, Werner / Sauter, Annette / Bender, Harald (2004): Blended Learning. Effiziente Integration von E-Learning und Präsenztraining. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Luchterhand, Neuwied.
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Was Ihre Aufstellung unter [2.3 Konnektivismus] anbelangt, glaube ich nicht, dass diese haltbar ist; dass Konnektivismus (ein an sich sehr interessanter Ansatz – soweit ich ihn bisher kennen gelernt habe) auf eine Theorie-Stufe mit den drei „alten“ Paradigmen (Beh., Kogn., Konstr.) gestellt werden kann. Die drei Paradigmen werden über die Frage wie Informationen er- und verarbeitet werden voneinander abgegrenzt. Aus dieser Perspektive kann Konn. IMHO nicht von den drei großen Paradigmen abgegrenzt werden. Vielmehr glaube ich, dass sich Konn. auf dieser theoretischen Ebene wunderbar dem Konstr. zu/unterordnen ließe.
Günter
Die Ansicht von Günter W. kann ich durchaus teilen. Ich denke auch, dass Konnektivismus eine Teiltheorie von Konstruktivismus als didaktische Theorie ist und kein separates Paradigma wie Beh.,Kogn.,Konstr.. Beispielsweise sehe ich, dass sich zu allen 12 in 2.3 dargestellten Merkmalen von „connectivism“ (Siemens 2006a) Querverbindungen zu Werten einer (moderat) konstruktivistischen Lernumgebung (vgl. etwa Law, 1995) aufzeigen lassen: (1) personal autonomy (2) generativity (3) pluralism (4) personal relevance (5) active engagement (6) reflectivity (7) collaboration.
Einige Beispiele:
Prinzip 1 – Denken & Emotionen, Verlinkung mit den Werten 4 und 6
Prinzip 2 – Motivation, Verlinkung mit Wert 5
Prinzip 6 – Meinungsvielfalt, Verlinkung mit den Werten 2 und 7
Prinzip 8 – Verbindungen erkennen, Verlinkung mit Werten 2, 3 und 7 etc.
Das Verlinken oder „connecting“ sind TMHO zutiefst konstruktivistische Operationalisierungen (Handlungen), wie ich in den Beispielen das zu zeigen versucht habe.
Aber: In der Tabelle von George Siemens ist mir schon aufgefallen, dass „connectivism“ kursiv gedruckt ist, was vielleicht ein Hinweis dafür sein kann, dass der Autor den von Günter und mir kritisierten Punkt auch in seinen Überlegungen miteinbezogen hat.
Eine spannende Frage wurde damit von Günter aufgeworfen. Es wäre für mich interessant, was andere davon halten.
Angela
Hallo zusammen,
vielen Dank für die wertvollen Informationen!
Bisher gehen unsere Betrachtungen auch dahin von einem erweiterten Ansatz konstruktivistischer Annahmen zu sprechen –
Auszug Exposé, Kapitel 2.3:
„[…] Dieses konnektive Lernen stellt eine Erweiterung des selbstgesteuerten Heranziehens von verschiedenen Informationsquellen dar, indem ein erhöhter Lernerfolg und eine größere Motivation zum Lernen dadurch erzielt wird, sich in ein bestehendes Netzwerk oder in eine bestehende Gemeinschaft zum entsprechenden Thema zu integrieren und damit das Netzwerk zu erweitern oder gar ein neues Netzwerk aufzubauen. „Learning is the process of creating networks. […] The act of learning […] is one of creating an external network of nodes – where we connect and form information and knowledge sources. The learning that happens in our heads is an internal network (neural) […which structures exist by…] connecting and creating patterns of understanding.“ (Siemens 2006b, 29).“
Meiner Meinung nach spielt vor allem die Fokusverlagerung des Lernens vom „Wissenhaben“ zum „Wissenfinden“ eine entscheidende Rolle beim Konnektivismus. D.h. bei den bisherigen Lerntheorien steht insbesondere die Informationser- und verarbeitung im Individuum und aus dem Bestreben des Individuums heraus im Vordergrund, die sich beim Konstruktivismus u.a. auch im Erkennen von Verbindungen äußert. Aber nach konnektivistischer Ansicht scheint Wissen und der damit verbundene Lern- und Verständnisprozess als Funktion und damit Teil des vorhandenen Netzwerkes betrachtet zu werden. Also eine andere Sichtweise. Lernen entsteht danach aus dem Netzwerk, in dem Wissen untereinander ausgetauscht und damit ergänzt wird, ohne dass jeder sofort alles wissen kann.
Es lassen sich also durchaus Parallelen und Schnittstellen des Konnektivismus insbesondere zum Konstruktivismus finden, aber es scheinen auch entscheidende Erweiterungen zu entstehen, die der Konstr. aus seiner Sicht des handelnden Individuums heraus so nicht berücksichtigen kann und damit eine Abgrenzung möglich machen.
In unserem aktuellen Beitrag (05.02.) im Blog zur gerade stattfindenden Online Connectivism Conference gibt George Siemens unter anderem auch weitere Sichtweisen, wie seine lerntheoretischen Vorstellungen des Konnektivismus im Kontext anderer Lerntheorien zu verorten sind. Wichtige Diskussionen entstehen auch im zugehörigen Moodle-Forum (Link siehe Beitrag).
Auf jeden Fall ein äußerst spannendes Thema!
Viele Grüße
Marcel
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Den Begriffen Learning 2.0 und Konnektivismus stehe ich sehr skeptisch gegenüber, um nicht zu sagen, dass ich da wesentlich Wortgeklingel höre. Liest man oben die Darstellung kritisch, findet man ständig allgemeine Behauptungen, die jeden Beweises schuldig sind. Schon beim Konstruktivismus, der mir an sich als ein plausibles Modell erscheint, wird erheblich mehr behauptet als bewiesen. Es gibt praktisch keine empirischen Untersuchungen, die zeigen würden, dass ein konstruktivistisches Lernarrangement zu besseren Lernergebnissen führt als ein instruktivistisches.
Learning 2.0 heißt, dass die Lernenden in den sozialen Netzen kolaborative Learningtools nutzen müßten. Wenn Sie aber an einer deutschen Universität die Studierenden fragen, wer das (erweiterte) hangout von google+ kennt (was wirklich ein mächtiges 2.0-Lerntool ist), wer etherpads kennt, wer mit Wikis gearbeitet hat, etc. dann werden Sie erfahren, dass das niemand kennt. Wie sollen die in aller Welt learning 2.0 machen, wenn sie die nötigen Werkzeuge, die es zwar gibt, gar nicht kennen?
Stellen Sie mal ein gläsernes Klassenzimmer auf einen öffentlichen Platz, und versuchen Sie dort als Lernbegleiter ein Arrangement zu entfalten, in dem Ihre Schülern z.B. die diversen Lerntheorien verstehen lernen sollen. Ich wette, dass die Schüler am Ende viel gelernt haben, was auf dem Platz alles los war, aber zu den Lerntheorien werden sie nur Mageres zusammengebracht haben. Lernen findet immer noch im Kopfe statt, und der braucht etwas Ruhe und Abgeschiedenheit, um sich konzentrieren zu können. „Vernetztes Lernen“ ist eine Phrase, die konkret, wie gesagt, allenfalls abgelenktes Lernen bedeutet. Die Vernetzung der Datenbestände erlaubt dem Lerner einen viel schnelleren Zugriff, aber das individuelle Einsortieren, Bewerten, Verstehen, etc. hat sich in gar nichts gegenüber dem alten Buch- oder Vortragslernen verändert. Unser Brainspeicher ist weder größer, noch ist die Bioware schneller geworden, also lasst doch mal die Kirche im Dorf mit all den -ismen und dem 2.0
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